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17. April 2010

Kenntnis der Web 2.0-Phänomene hilft zwar, nützt aber nichts für Marketing und Public Relations – Serie: Soziologie und Typologien der Web 2.0-Nutzer (Teil 1 von 7)

Web 2.0-Phänomene wie Twitter und online social Networks zu kennen und diese zu verstehen, ist „in“, doch für Managemententscheidungen der Marketing-Kommunikation bzw. Public Relations allein weitgehend nutzlos. Auch künftig – und mehr denn je – ist die relevante Größe eine andere: Die Zielgruppe. Ihre Beschreibung muss um die Nutzungssoziologie von Web 2.0 bzw. online social Media erweitert werden.

In der Fach- und Sachliteratur zum Web 2.0 und online social Media dominiert die phänomenologische Betrachtung von Plattformen: Im Zentrum stehen Wikipedia bzw. Wikis, Facebook bzw. online social Networks, Twitter bzw. Microblogs etc.

Mal dominieren dabei technische Aspekte (vgl. z. B. ➚Kantel, 2009) und mal werden Sinnkontexte wie „Ideagoras“, „neue Alexandriner“ und „partizipative Plattformen“ konstruiert (➚Tapscott/Williams, 2006).

Mit ihrem „Conversationprism“ ordnen Brian Solis und Jess Thomas vermeintlich das gesamte Web:  Die „großen Marken“ des Internets werden anhand ihrer technischen Formate (Bilder, Video, Musik, SMS, Stimme etc.) oder nach sozial-funktionalen Kategorien (kollaborieren, kommentieren, bewerten etc.) gebündelt (➚Solis/Thomas, 2009). Für das deutsche Web wurde das Conversationprism (siehe Abb. 1) von ethority angepasst (➚ethority, 2010).

Abb. 1: Social Media Prisma V 2.0 von ethority (2010) in enger Anlehnung an Thomas/Solis (2009)
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➚Großbild]

Zwar helfen solche Beiträge, um das Internet, Web 2.0 und online social Media zu verstehen, nützen jedoch nichts für die Beantwortung aktueller Managementfragen – etwa der Marketing-Kommunikation. Der Grund: Sie haben den falschen Fokus.

Nicht online social Media sondern Zielgruppen und Anspruchsgruppen analysieren

„Sind online social Networks wichtig? Und falls ja: Bauen wir als Unternehmen selbst eines oder versuchen wir auf Facebook, den VZs und XING vorzukommen?“ – Fragen wie diese sind zwar nachvollziehbar, greifen jedoch zu kurz.

Weit bedeutender für den Kommunikationserfolg bleibt ein genaues Verständnis der Zielgruppen (target groups) und Anspruchsgruppen (stakeholder) – nicht eine Diskussion von Hypes, Tools und Plattformen. Doch die Sach- und Ratgeberliteratur enttäuscht in diesem Punkt: In den Registern der Mehrheit der zahlreichen Web 2.0-, Interactive-, Online-Marketing- und Online-PR-Bücher tauchen die Begriffe Zielgruppe oder Anspruchsgruppe nicht einmal auf.

Und auch die Marketing-Kommunikation vieler Unternehmen zeigt sich aktionistisch und ohne Plan. Es „jagen viele Marketers hinter jeder Technik, Taktik und Metrik hinterher, die ihnen über den Weg läuft“, um es in den Worten Geoff Ramseys, CEO von eMarketer, zu formulieren (➚perspektive mittelstand, 2010). Die Konsequenz: kurzfristig ist mindestens Geldverschwendung beobachtbar und mittel bis langfristig sind zudem erhebliche Reputationsschäden zu erwarten.

Will ein Unternehmen im „social Web“ Erfolg haben, muss es seine Zielgruppe und seine Anspruchsgruppen ins Zentrum der Betrachtung stellen und folgende Fragen beantworten:

  •  Was sind die Ziele unseres Unternehmens und was ist unsere Positionierung?
  • Wer ist unsere Zielgruppe und wer sind unsere relevanten Anspruchsgruppen? Was denken diese über uns?
  • Welche konkreten Ziele sowie Differenzen bzw. Probleme leiten sich daraus ab?
  • In welcher Weise nutzen unsere Zielgruppen und Anspruchsgruppen bereits heute die Möglichkeiten des Web 2.0?
  • Welchen kurz-, mittel- und langfristig abverkaufsfördernden Mehrwert können wir unserer Zielgruppe unter diesen Voraussetzungen über das Internet/Web 2.0 bieten?
  • Welche Mehrwerte können wir unseren relevanten Anspruchsgruppen bieten? Zu welchem Zweck?
  • Welche Anforderungen und Konsequenzen ergeben sich daraus für uns, d. h. für unser Geschäftsmodell, für unsere Organisation, für unsere Unternehmenskultur und für unsere klassische Kommunikation?
  • Wie und in welchen zeitlichen Abständen kontrollieren wir den Erfolg dieser Maßnahmen?

u. s. w.

Um diese Überlegungen zu unterstützen, werden in den folgenden Teilen dieser Serie soziologische und psychologische Aspekte zum Online-Verhalten von Menschen sowie ausgewählte Nutzertypologien vorgestellt und Handlungsempfehlungen für die Entwicklung von Web 2.0/online social Media-Projekten abgeleitet.

  

Serie: Soziologie und Typologien der Web 2.0-Nutzer im Überblick

Kenntnis der Web 2.0-Phänomene hilft zwar, nützt aber nichts für Marketing und Public Relations (Teil 1 von 7)
 Das Social Web lebt von einer Minderheit  (Teil 2 von 7)
Nutzertypen im Web 2.0: Wer bloggt ist nicht unbedingt in online Social Networks aktiv (Teil 3 von 7)
Ausgewählte Onliner-Typologien (Teil 4 von 7)
Methode und Datenquellen der Typologie-Entwicklung ( Teil 5 von 7)
Psychologische Motive der Internetnutzung (Teil 6 von 7)
Soziologie und Typologien der Web 2.0-Nutzer – Zusammenfassung und Ergänzungen (Teil 7 von 7)

 

Quellenverzeichnis

ethority (2010): Social Media Prisma – Version 2.0.
URL: ➚http://www.ethority.de/weblog/social-media-prisma [Stand: 04-MAR-2010]

Kantel, Jörg (2009): Per Anhalter durch das Mitmach-Web. Heidelberg : mitp ➚Bei Amazon bestellen

Perspektive Mittelstand (2010): Social Media Marketing erfolgt oft ohne Plan. (Beitrag vom 15.02.2010)
URL: ➚http://www.perspektive-mittelstand.de/Web-20-Strategie-Social-Media-Marketing-erfolgt-oft-ohne-Plan/management-wissen/3216.html [Stand: 16-APR-2010]

Tapscott, Don/Williams, Anthony (2007): Wikinomics. Die Revolution im Netz. München: Hanser ➚Bei Amazon bestellen

Solis, Brian/Thomas, Jess (2009): The Conversations Prism. The art of listening, learning and sharing.
URL: ➚http://theconversationprism.com [Stand: 04-MAR-2010]





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