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15. September 2009

Kommunikationskongress 2009 – Ein Eindruck

1.575 Personen fasste die Teilnehmerliste – wer in der Unternehmenskommunikation Rang und Namen hat sowie zahlreiche Agenturkollegen haben sich auch dieses Jahr wieder auf dem Kommunikationskongress in Berlin getroffen, um zu Networken und aktuelle Themen der Branche zu diskutieren.
Wie gewohnt war der Kommunikationskongress auch dieses Jahr hervorragend organisiert.

So wie bei vielen Vorträgen, stand auch vor Ort Web 2.0 im Zentrum vieler Diskussionen. Wer wollte und konnte, konnte vor Ort twittern und über einen großen Monitor aktuelle Tweets zum Kommunikationskongress lesen.
Nach der Eröffnung durch Uwe Dolderer (BdP Präsidenten) stellte Prof. Dr. Bentele den aktuelle Stand der Profession Pressesprecher dar und im Folgenden philosophierte Dr. Dieter Zetsche über „grünere Autos“.  Es folgten zwei Mal je sechs parallele Themenveranstaltungen, nach der Mittagspause ein Vortrag von Roland Koch (Ministerpräsident Hessen) und dann noch zwei Mal je sechs parallele Themenveranstaltungen sowie weitere Vorträge am späten Nachmittag/frühen Abend.

Damit fuhren die Organisatoren ein sehr breites und vielseitiges Programm auf, dass neben Web 2.0 auch das aktuelle Thema ‚Krise‘ sowie Klassiker wie Kommunikations-Controlling, interne Kommunikation, Change, CSR u. v. a. m. bot.
Im Folgenden nur ein kleiner Eindruck der Veranstaltungen, die ich selbst besuchten konnte.

11:00 Uhr – PR 2.0 – Kommunikation in der Netzgesellschaft

Am Vormittag hatte ich die Ehre, gemeinsam mit Volker Gaßner (Greenpeace), Thomas Aichner (Marketinggesellschaft Meran), Graf Philipp Montgelas (netDoktor) im Podium zum Thema „PR 2.0 – Kommunikation in der Netzgesellschaft“ zu sitzen – in unnachahmlicher Weise moderiert von Prof. Dr. Jo Groebel (Deutsches Digital Institut).
Volker Gaßner eröffnete mit einem Impulsvortrag und verwies darin unter anderem auf die Greenpeace-Replik auf den aktuellen RWE-Spot (siehe z. B. youtube) und erklärte, inwiefern Web 2.0 die Arbeit einfacher und kotengünstiger macht, gleichzeitig aber auch „Gegenwind“ evoziert.
Die Mitglieder des Podiums waren inhaltlich einig: Unternehmen müssen ins Web 2.0 – jedoch nur mit vorheriger gründlicher Analyse der Anspruchsgruppen und deren Verhalten im Internet. Ferner müssten Unternehmen sich auf den Kontrollverlust in der Kommunikation in Zeiten von Web 2.0 einstellen. Für mich erfreulich: Die Unternehmensvertreter betonten die Notwendigkeit, sich bei Aktivitäten im Web 2.0 von Agenturen unterstützen zu lassen.

Nachfragen aus dem Auditorium und die Randgespräche im Laufe des Tages zeigten, dass Unternehmen meist noch weit weg davon sind, das neue Paradigma des Web 2.0 zu  akzeptieren und im Tagesgeschäft routiniert damit umzugehen. Noch dominiert das Selbstverständnis als Sender, der Unternehmensbotschaften an eine mehr oder weniger „anonyme Masse“ übermittelt, statt der Rolle eines Unternehmensvertreters, der den persönlichen Dialog mit relevanten Anspruchsgruppen auf Augenhöhe sucht und führt.

12:15 Uhr – Zukunftsszenarien in der Online-Kommunikation

In der Diskussion: Jakob Augstein (der Freitag), Prof. Dr. Klaus Beck (FU Berlin), Jochen Wegner (Focus Online) und der Mann mit dem roten Iroeksen Sascha Lobo, unterhaltsam und gänzlich uninvestigativ moderiert von Frau Dr. Mercedes Bunz (Guardian). Die Diskussion widmete sich in weiten Teilen Erlösmodellen für Content-Angebote und glitt Zwischenzeitlich in die Diskussion vom Wert des Profijournalismus im Verhältnis zum schreibenden „Normalbürger“. Natürlich musste noch einmal gesagt werden, dass Journalisten online „kein“ Geld mehr verdienen und dass Online-Werbung so billig ist. Ein Ausweg nach Lobo: „Marken müssen Geschichten erzählen“ Aha.

Und dann stellt Herr Wegner noch einmal heraus, dass so etwas wie „Google-Ads“ in Print-Welten „nicht möglich wären“ und man Menschen beschäftigt, die bezahlt werden, Werbung und redaktionellen Inhalt zu trennen, obgleich – und das findet er bizar – Leser auch in der Zeitung Werbung sehen wollen, die zum Inhalt der redaktionellen Beiträge passt.

Für mich blieb auf der Tonspur der Diskussion: Der Medien- und teilweise der Werbebranche fehlen deshalb tragfähige (online)Konzepte, weil sie das Paradigma des Web 2.0 nicht wirklich verstanden hat, noch immer einzelne Phänomene und Technik diskutiert und Antworten in alten Paradigmen sucht, statt sich selbst in Frage zu stellen und  die Motive und soziologischen Mechanismen hinter den Phänomenen zu ergründen. Oder in den Worten von Sascha Lobo, nach langer und wortgewaltiger Rede: „… gebe aber offen zu, dass ich genauso wenig Ahnung habe, wie jeder andere, der hier oben sitzt.“ Merci.
Diese Vorstellung konnte das Publikum unterhalten aber nicht wirklich zufrieden stellen, wie die erste Publikumsmeldung zeigte: „Ich bin jetzt grad ziemlich sauer auf das Podium.“ Charmanter Konter vom Podium, Gelächter von vielen Teilnehmern, einige verlassen den Saal. Zitat einer Teilnehmerin: „Unausstehlich diese Selbstdarstellung“. Die Diskussion geht weiter…
Doch ich rate zum eigenen Eindruck mittels des online verfügbaren Mitschnitts von etwa einer Stunde „Zukunftsszenarien der Online-Kommunikation“.

Früher Abend – Issues Management in Zeiten von Web 2.0

Zum Abend besuchte ich den Vortrag „Issues Management in Zeiten von Web 2.0“ von Heiko Kretschmer (J+K), mit anschließend angeregter Diskussion über Grenzen und Möglichkeiten des Issues Management im Web 2.0, die wieder einmal, wie das Panel am Morgen zeigte: Noch immer besteht äußerst hohe Unkenntnis und Unsicherheit im Umgang mit dem Web (2.0) bis hin zu teilweise noch immer verbreiteter geringer Akzeptanz, dieses in die professionelle Kommunikation einzubeziehen. Und auch Agenturen haben noch lange nicht fertig gedacht und vermischen gelernte Paradigmen mit der Faszination für Phänomene des Web 2.0.

20:00 Uhr – Speakersnight, Admiralspalast

Nach kurzer Stippvisite ins Hotel und in frischem Zwirn ging es dann zur Speakersnight im Berliner Admiralspalast. Die Moderation übernahm der NDR-Moderator Steffen Halaschka. Eine äußerst unterhaltsame, humoreske, jedoch auch glatte Gastrede hielt Klaus-Peter Müller, der Aufsichtsratvorsitzende der Commerzbank und für die wirkliche Kommedy-Unterhaltung sorgte Gayle Tafts, die zum Abschluss in Broadway Manier im Kostüm des Berliner Bären steppte und „Berlin, du bis so bärenstark“ trällerte. Wer Sie mag, herrlich.
Natürlich verlieh der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) auch Preise, diesmal einen sogar doppelt: Den Nachwuchsförderpreis erhielt Martina Mahnke (Uni Leipzig) für ihre Abschlussarbeit zum Thema „Bewegtbildkommunikation im Internet: eine Empirische Studie über die Herausforderungen von Online-Videocontent für die Presse- und Medienarbeit“. Gleichzeitig wurde Agnes Richter (Uni Hohenheim) für ihre Arbeit „Eignung und Einsatzpotenziale von Virtual Communities für die Kundenkommunikation“ ausgezeichnet.
Den „Goldenen Apfel“ gewann das Projekt „Shell Eco-marathon“ der Firma Shell: ein internationaler Wettbewerb, bei dem Studenten aufgerufen sind, Fahrzeuge zu konstruieren, die mit einem Liter Treibstoff möglichst weit fahren. Der Rekord liegt hier bei mehr als 3.800 Kilometern mit einem Liter Treibstoff.
Im Anschluss wurde auf drei Ebenen sowie vor dem Gebäude im Innenhof noch heftig genettworked, diskutiert, getrunken und getanzt. Ich selbst habe um halb drei den Weg ins Hotel angetreten und musste leider Freitagmorgen zurück nach Düsseldorf. Daher hier noch einmal der Hinweis auf die Videomitschnitte – auch von ausgewählten Vorträgen am Freitag.

Internetlinks

– Website des Kommunikationskongresses: http://www.kommunikationskongress.de/
– Ausgewählte Vorträge als Videomitschnitt finden Sie hier
– Impressionen von Teilnehmern Interviews auf youtube
– Gewinner des Goldenen Apfels „Shell Eco-marathon